32. Coupe de Kiep 2022
…schön Euch zu sehen!
Zwei Jahre lang lag eines der größten Boulodrômes Westfalens brach. Nur die Spieler/innen des KfK Münster und einige Stamm- sowie Zufalls-Gäste verliefen sich auf die Sentruper Höhe. Echte Wettkämpfe haben hier zuletzt 2019 stattgefunden, beim 31. Coupe de Kiep, einem der am besten besuchten Traditions-Turniere der Region. Nach Lockdowns, Platzsperren und Hygiene-Regeln ging dann am 22. Mai 2022 doch auch wieder die Sonne über dem Platz auf – und sie war gekommen, um zu bleiben, bis in die Abendstunden.
Zum 32. Coupe de Kiep war um Voranmeldung via Internet gebeten worden, gleichzeitig war klar, dass vereinzelte Teams dies nicht tun würden. So ging man von gut 25% zusätzlich teilnehmender Mannschaften aus, die über die 60 online Vorangemeldeten hinaus gehen würden. Und das passte: 72 Mannschaften hatten sich zum Einschreibeschluss um 9:30 Uhr bei der Turnierleitung gemeldet. Mit dabei waren Teams von Wilhemshaven bis Köln und von Ibbenbüren bis Essen. Auch der Vertreter unseres Sponsors, Regis Le Breton von der Sparkasse Münsterland-Ost (ein herzliches Danke schön für die tolle Unterstützung einmal mehr an dieser Stelle), staunte nicht schlecht, welche Wege begeisterte Boulisten zum Coupe de Kiep in Kauf nehmen.
Wenn ein bisschen Romantik erlaubt ist, so war es in den frühen Morgenstunden doch schon fast wie bei einer Familienfeier, einer Hochzeit oder einem runden Geburtstag. Die Helfer/innen des Klubs waren bereits seit mehr als einer Stunde in den Vorbereitungen, als die ersten Gäste gegen 8:30 Uhr eintrafen. Natürlich (fast) alles bekannte Gesichter. Und so war die Freude groß, sich endlich einmal wiederzusehen, die Tanten und Onkel, die Schwägerinnen und Schwäger aus der großen Boule-Familie. Und selbstverständlich gab es nach den zwei Jahren Zwangspause auch eine Menge zu erzählen – wobei die meisten Geschichte wie immer mit „Weißt Du noch…?!“ anfingen und zum Teil ihre vierzigste Wiederholung feierten.
Zur Begrüßung nutzte KfK-Präsident Christoph Roderig dann auch die Zeilen des Liedes von Hannes Wader und Konstantin Wecker: „Schön, wieder hier zu sein! Schön Euch zu sehen!“ Und es wurden wohl die allermeisten Herzen erreicht, die genauso gefühlt haben – ein „Zwischendurch-Applaus“ ist jedenfalls eher selten zu solchen Gelegenheiten.
Gewohnt launig sprach er dann vom „westfälischen Zeitlimit“, nämlich dass die fünf Runden Schweizer System auf jeweils zwei Stunden plus vier Aufnahmen limitiert sind. „Carrée spielen wir trotzdem nicht“, fügte er hinzu, „Wir spielen hier heute endlich mal wieder Pétanque, die Bahnen rechts und links von der eigenen Bahn spielen mit.“ Tatsächlich gab es aber einige Protagonisten, die das wohl sehr ernst genommen haben. „Zwei Stunden plus vier Aufnahmen ist aber verdammt lange, oder?“ Ja, ist es…
Wie auch immer, die Turnierleitung des Coupe de Kiep erfolgt weiterhin „zu Fuß“, einen Computer sucht man hier vergeblich. Gearbeitet wird mit den Einschreibe-Karten der Teams, hier werden Sieg und Niederlage eingetragen, die Punkte-Differenz, ob jemand hoch oder runter gelost wird, usw. usf.
Die Ansage war, dass es um 10:00 Uhr los geht und dass es um 19:00 Uhr ein Finale geben wird. Bei 72 Teams in fünf Runden Schweizer System ist allerdings klar, dass es ziemlich sicher mehr als zwei Teams mit fünf Siegen geben würde. Es wurde also offen gehalten ob nach fünf Runden dann die erzielten Punkte und Buchholzpunkte den Platz 1 ergeben, oder halt ein finales Aufeinandertreffen der dann zwei besten Mannschaften.
Bis dahin war es aber auch noch ein langer Weg. Und es war interessant zu beobachten, wie ungewohnt es für viele Spieler/innen mittlerweile ist, kein Zeitlimit zu haben. Gegen 14:00 Uhr startete die dritte Runde und es wurden ernsthaft Stimmen laut, die befürchteten, dass man zur letzten Runde wohl Flutlicht brauchen würde.
Es gab aber auch andere Argumente: „Wir waren mit unserer Partie nach einer halben Stunde fertig und jetzt sitzen wir hier schon über eine Stunde herum. Da ist ein Zeitlimit doch die elegantere Lösung!“
Ist das wirklich die „elegantere“ Lösung? Wenn Partien mit 10:11 enden, weil die Zeit und die zwei zusätzlichen Aufnahmen rum sind? Wenn Mannschaft A mit 9:3 führt und nun plötzlich die eine Minute pro Kugel leidlich ausnutzt?
Der Coupe de Kiep ist ein Spaß-Turnier, lizenzfrei, hier gibt es Leute, die für Fragen zum Regelwerk kompetent Auskunft geben können – und natürlich wird auf Wunsch auch kreuz und quer eine Kugel einmal „neutral“ gemessen – aber es gibt halt keine offiziellen Schiedsrichter. Einem Team ist es einmal passiert, dass es einen Sauwurf gerne nachgemessen haben wollte, weil es davon ausging, dass die Zielkugel auf einer Länge von unter sechs Metern lag. Der hinzugerufene Christoph Roderig zückte jedoch kein Maßband sondern gab dem Schweinchen einen kurzen Kick für weiter zwei Meter, mit dem Kommentar: „Jetzt sind es sicher mindestens sechs Meter.“
Soll heißen: das Team, das 8:2 führt und plötzlich nacheinander dringend zur Toilette muss, das wird auch nicht sanktioniert. Muss es ja auch nicht – es gibt ja kein Zeitlimit.
„Spaß-Pétanque“ nach alter Väter Sitte, inklusive – je nach Gusto – Bier, Pastis und legalem Rauchwerk bedeutet aber nicht, dass es keinen Ehrgeiz, keine hochklassigen Kugeln und keine engen und spannenden Begegnungen gibt. So wie beim Coupe de Kiep bei Wein, Weib, Kerl und Gesang durch fünf Runden gezockt wird, sollte es umgekehrt bei offiziellen Wettbewerben mit Lizenz-Pflicht gehen: kein Alkohol, keine Zigaretten, alles streng nach Reglement. Dann könnte man auch das eine von dem anderen einmal unterscheiden.
Zurück zum Traditions-Turnier: die letzte Runde war um kurz vor 19:00 Uhr beendet und man beschloss, auf ein Finale zu verzichten. Alle hatten genug gekugelt, die Rangliste präsentierte drei Teams mit fünf Siegen, wobei die Erstplatzierten es geschafft hatten in fünf Partien insgesamt 15 Punkte abzugeben.
Die rheinischen Frohnaturen Jörg Alshut und Andreas Meyer hatten einen Durchmarsch hingelegt, der bei beiden wohl für die meiste Wartezeit zwischen den Spielen gesorgt hatte: insgesamt 15 Punkte haben die Gegner der Mannschaft insgesamt abgerungen.
Dicht gefolgt landeten auf Platz 2 zwei westfälischen Boule-Legenden: Guido und Sebastian Bergob aus Ahlen. Wir erinnern uns an die Pétanque-Jugend-Weltmeisterschaften 1997 in Genf, zu denen Guido seinen Sohn „Basti“ als Jugend-Nationalspieler begleitet hatte.
Auf dem dritten Platz die „Jugend von heute“ Simon Rinkowski und Jasper Schluepen aus der Boulesparte des SV Siemens Mülheim. Diese drei Teams blieben über den Tag verteilt ungeschlagen.
Auf Platz vier dann wieder zwei Urgesteine: Jorgo Dimitriadis und Mohammed Chimia aus Essen-Kettwig. Die Älteren unseres Sports erinnern sich an tolle Kettwiger Turniere, Ende der 90er-Jahre, auf dem Sportplatz an der Ruhrtal-Straße. Jorgo war seinerzeit dort der Kneipen-Wirt – und was er aufzutischen pflegte, ließ manche die nächsten Runden verpassen. Mit einem mehr als den vier Siegen, die die beiden erreicht haben, wären sie auf Platz zwei gelandet.
Alle weiteren Platzierungen finden sich in der ⇒ Ergebnisliste oben.
Zur Preisverleihung gab es noch einmal eine große Runde der über 30 vor Ort gebliebenen Teams mit dem entsprechend brandendem Applaus für die TOP 13, die sich einen Umschlag mit Siegprämie abholen durften.
Noch rauschender wurde der Beifall, als sich Präsident Christoph Roderig bei allen Helferinnen und Helfern des KfK bedankte: für die tolle Organisation der Infra-Strukur, für die Turnierleitung, für das leckere Essen vom Salat-Buffet und vom Grill – und für den Super-Service am Getränkestand. Letzteren betreute übrigens bis in die frühen Abendstunden ebenfalls eine Boule-Legende: Klaus Tröstrum aus Essen, seit 1988 Chefredakteur der 2003 eingestellten Zeitschrift „Pétanque International“. Tröstrum ist ebenfalls Mitglied und hat seine Lizenz beim KfK Münster.
Mit 72 Teams blieb der Coupe de Kiep etwas hinter den Zahlen von 2019 (81 Teams) zurück, der Rekord von 121 Teams aus dem Jahr 2014 wurde ebenfalls nicht geknackt, aber es kommt ja im nächsten Jahr der 33. Coupe de Kiep, zu dem es ebenfalls heißen wird: „Schön, wieder hier zu sein! Schön, Euch zu sehen!“